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Versuch einer vorläufigen Saisonanalyse
von 6707 In der Kategorie Allgemein am 23.01.2012 um 00:53 Uhr.

Hallo,

ich bin normalerweise eher passiver Leser hier im Forum und versuche mal meine Gedanken zu den vielen -vor allem in letzter Zeit- geäußerten Meinungen zusammenzufassen.

Ich bin weder der Meinung, dass man die Mannschaft immer verteidigen sollte, noch das man mehr oder weniger die komplette Mannschaft zur nächsten Saison auswechseln muss. Wir erwarten von der Mannschaft, dass sie sich bis zum Schluss reinhängt und nicht schon vor der Schlusssirene aufgibt. Handhaben wir Fans das mit unserem Support genauso? Es wird ohne Frage schwer, unter die ersten vier zu kommen, aber das haben wir als realistische Beobachter doch vorher gewusst, oder? Auch ich bin enttäuscht über das verlorene Spiel letzten Freitag und wäre masslos enttäuscht, wenn es am Ende an diesen drei Punkten scheitert und die Löwen deshalb maximal fünfter werden. ABER: noch ist es nicht soweit.

Ganz ehrlich: Das, was die Jungs da auf dem Eis im Prinzip seit Saisonbeginn zeigen, ist das, was diese Saison "drin" ist. Michael Bresagk hat -wie ich finde- mit einer klasse Philosophie den Spagat versucht, es uns Fans recht zu machen, die so stolz auf die "echten Frankfurter Jungs" waren, die "ehrliches Eishockey" gespielt und uns als Amateure mit profihaftem, vorbildlichem Einsatz begeistert haben. Leider konnten die meisten den Weg in die Oberliga nicht mitgehen, aber dafür sollten wenigstens Jungs her, die einen Bezug zu Frankfurt haben. Auf der anderen Seite sollte natürlich auch eine Perspektive geschaffen werden, dass heißt, die Löwen in der Oberliga zu etablieren.

Das alles -und das ist für mich persönlich das wichtigste Saisonziel- auf einer wirtschaftlich gesunden Basis, ohne Peter Zwegat.

Wir sind trotz all dem Frust der letzten Tage in der Oberliga angekommen! Mit einer im Prinzip komplett neuen Mannschaft und einem neuen Trainer, zusammengestellt von einem sportlichen Leiter, für den dieser Job ebenfalls mehr oder weniger Neuland bedeutet/e.

Zur personellen Situation:
Es hat das Projekt Oberliga sicher nicht einfacher gemacht, dass von Beginn an Boris Ackers gefehlt hat. Dennis Schulz und Christian Wendler haben ihre Sache so gut es ihnen möglich war gemacht, aber wer weiß, welche Wirkung Boris von Beginn an auf die Mannschaft und deren Spielweise gehabt hätte? Boris spielt (noch?) nicht fehlerfrei, aber haben hier einige ernsthaft erwartet, er steigt nach einem halben Jahr wieder ein und feiert einen Shutout nach dem anderen? Ihm muß man die Zeit gewähren, die er braucht, um wieder voll da zu sein. Dass wir diese Zeit zum jetzigen Saisonzeitpunkt nicht haben, können wir ihm nicht vorwerfen.

In der Abwehr fehlen Raphael Wagner und Marco Müller, zwei wie ich finde gute bzw. starke Verteidiger. Wir wären in der Meisterrunde mit den beiden vermutlich auch nicht ohne Gegentore geblieben, aber es sind definitiv zwei Männer, die der Abwehr fehlen und vermutlich für mehr Stabilität gesorgt hätten. Daniel Kunce hat bei mir Seniorenbonus, er spielt das was er (noch) kann, gar nicht mal schlecht, alles andere kann man dem Mann nicht vorwerfen. Schliesslich ist er aus der Not geholt worden und hat sich nicht von sich aus als Verteidigungsallzweckwaffe bei den Löwen beworben. Er hat nie behauptet, ein Fitnessjunkie zu sein und offen eingestanden, dass es ihm nicht leicht fällt, auf Oberliganiveau wieder einzusteigen. Dafür, dass er trotzdem versucht, den Löwen zu helfen, zolle ich ihm großen Respekt. Trotzdem bin ich auch der Meinung, dass man z.B. Tim Ansink mehr spielen lassen sollte, mit allen Risiken, die das möglicherweise mit sich bringt.

Der Ausfall von Simon Barg ist zweifelsohne ein Riesenproblem, dass man nicht einfach so wegsteckt.

Vom "Liebling" einiger Fans, Ryan Fairbarn werden scheinbar aufgrund seines Status als Ausländer Wunderdinge erwartet. Zumindest laut Statistik hat er bisher ganz ordentlich gespielt, am Status eines "Monsterpenaltykiller" sollte er vielleicht noch feilen...

Von einem Roland Mayr aus der DEL hätte ich mir in den bisherigen Spielen mehr Durchschlagskraft erwartet...er sollte mittlerweile in Frankfurt "angekommen" sein...ob er der Typ dazu ist oder nicht, von einem Mann seiner Klasse müsste mehr Zugkraft ausgehen. Man sollte nicht erwarten, dass er die Karre ggf. allein aus dem Dreck zieht, aber mit seinen spielerischen Fähigkeiten (?) sollte er die anderen mitziehen können...

Unterm Strich bleibt aber ebenso die Tatsache, dass andere Vereine auch mit diversen Verletzten zu kämpfen haben und das leider zum Alltag im Eishockey gehört. Mit einer entsprechenden Tiefe im Kader und dem passenden Drumrum (Teamgeist, Fitness, etc.) lässt sich so mancher Ausfall kompensieren, andernfalls gehört auch ein bisschen "Nichtverletzungsglück" dazu, um eine Saison sportlich erfolgreich zu bestreiten. Von daher taugt das Argument "Verletzungspech" in meinen Augen nur bedingt als Erklärung/Entschuldigung.

Die eingefleischten Fans erinnern sich sicher noch an die Äußerung von Michael Bresagk, als er im Sommer in der Vorbereitung sagte, dass er bei den Leistungstests überrascht war über einige schlechte Fitnesswerte von Spielern. Was nichts anderes bedeutete, als dass einige im Sommertraining offensichtlich geschlampt haben! "Wer im Sommer schludert,..." hiess es, "...fällt spätestens um Weihnachten in ein Loch." Dort war zwar hauptsächlich von zwei Spielern die Rede, aber mir kommt es so vor, als könnten es ein paar mehr gewesen sein...

Meines Erachtens sehen wir das Ergebnis mal mehr, mal weniger auf dem Eis. Auswärts mehr, daheim weniger... Zuhause und vor so einer Kulisse von Fans fällt es leichter, sich an die Leistungsgrenze zu zwingen und noch ein paar "Körner" rauszuholen. Vor allem für die, die im Sommer nicht so viel trainiert haben wie erwünscht bzw. notwendig. Ich kann mir vorstellen -und ich glaube, das hat Clayton Beddoes auch mal so gesagt-, dass die von ihm gewünschte Spielweise sehr kraftraubend ist und eine ausgezeichnete körperliche Kondition/Konstitution erfordert. (Man bedenke in diesem Zusammenhang folgendes: Freitag ging es gegen Kassel, Sonntag gegen Duisburg, Dienstag gegen die Hannover Indians, dann Sonntag gegen Bad Nauheim, alles schwere Partien und dazwischen der "Wellnesstag" Königsborn...)

Deswegen ist das erste Drittel in der Regel stark von den Löwen, klar das Spiel geht ja grad erst los...gegen Spielende wird es auch oft wieder besser, die Aussicht auf das baldige Spielende setzt Kräfte frei, von wegen: "...jetzt geb ich nochmal Gas!"

Was ich sagen will: Ich spreche den Löwen nicht ab zu kämpfen, aber einige im Team sind scheinbar gar nicht in der Lage, über 60 Minuten an die Leistungsgrenze zu gehen, weil sie nicht über die Voraussetzungen dazu verfügen. Sie geben jetzt während der Saison zwar alles, das ist bei einigen aber nicht soviel, wie es sein könnte/müßte, wenn sie im Sommer die Grundlagen geschaffen hätten! So erklären sich für mich die schwankenden Leistungen im Spiel: einige müssen sich ihre Kräfte anders einteilen, damit sie das ganze Spiel durchhalten...Außerdem wollte der Trainer ursprünglich mit vier Reihen viel Druck auf den Gegner ausüben. Letztendlich spielen meistens nur 2-3 Reihen, weil das Leistungsgefälle wohl doch stärker ist, als erwartet. Da gehen erst recht die auf dem Zahnfleisch, die vielleicht vor der Saison dachten: "Ich pack das auch mit weniger Sommertraining."

Das wirkt sich logischerweise auch auf die vorgegebene Taktik aus: Powerhockey ist schwer über die komplette Spieldauer, wenn man nicht austrainiert ist oder für andere mitlaufen muß, Konzentrationsmängel mit Blackouts und haarsträubenden Fehlern sind die Folge. Gerade gegen starke Gegner fehlt mir auch die notwendige körperliche Präsenz, wenn man nicht mit technischen, spielerischen Mitteln das Spiel des Gegners stören, geschweige denn den Gegner unter Druck setzen kann. Im ersten Drittel gegen Bad Nauheim hat meines Erachtens Daniel Sevo wesentlich körperlicher gespielt, als ich das bisher von ihm oder vielen anderen gesehen habe. Roland Mayr kann es auch, hat es aber nur in seinem ersten Spiel ganz am Anfang einmal gezeigt. Sven Breiter praktiziert das meines Erachtens sehr clever. Er gleicht seine mangelnde Körpergröße mit seiner quirligen Art aus und holt Strafen raus, die man in meinen Augen nicht immer pfeifen muss. Ein im positiven Sinne kleiner Drecksack und Unruhestifter, der einem als Gegenspieler andauernd auf die Nerven geht. Um so bedauerlicher, dass er sich in einem vergleichsweise unwichtigen Spiel gegen die Rothäute wegen Meckerns 10 Minuten selbst aus dem Spiel genommen hat. Fakt ist: körperliches Spiel muss man spielen wollen und können.

Nächstes Thema: die Disziplin
Mir fällt auf, dass z.B. manche Spiele in nur wenigen Minuten komplett kippen. Sich ärgern ist eine Sache, aber mit schwierigen Situationen müssen die Jungs professioneller umgehen, d.h. "Mund abputzen" und auf das nächste Bully konzentrieren. Ich bewundere immer wieder die stoische Ruhe z.B. eines Max Seyller oder Simon Barg. (Das sich gerade Max im letzten Spiel zu einer Rauferei hinreissen liess, was soll's, der kennt die Strafbank bei Löwenspielen eh nur vom Hörensagen...) Die lassen sich normalerweise auf nichts ein, drehen ab, fahren weg und wirken oft völlig gleichgültig. Dem ist mit Sicherheit nicht so, aber es gelingt ihnen, den Blick sofort wieder nach vorn zu richten. Sven Breiter z.B. muss sich besser im Griff haben. Wenn er gegen Bad Nauheim in einer Situation so gekonnt hätte, wie er wollte, wäre jetzt mit Sicherheit ein Nauheimer Spieler mit verdrahtetem Kiefer unterwegs...

Revanchefouls wie von Kasten nach Stockstich gegen Sevo werden als Teamgeist und Kameradschaft verkauft. Sehe ich nicht so, Kasten hat mit dieser Aktion seine Mannschaft für mindestens zwei Minuten geschwächt, sonst nix! Einen Mitspieler oder Torhüter schützen ist eine Sache und völlig in Ordnung, eine mutwillige Racheaktion nur eine Tätlichkeit, sonst nichts. Die Löwen haben im Schnitt 20 Strafminuten, andere Vereine haben im Schnitt nur 10 Minuten. Fünf Euro ins Phrasenschwein, deshalb ist der Satz nicht weniger wahr: "Auf der Strafbank gewinnst Du keine Spiele!" hat Boris Ackers vor kurzem treffend festgestellt und meinte damit den damaligen Gegner.

Gründe für die meiner Meinung verbesserungsbedürftige Disziplin: Unvermögen und fehlende Cleverness. Wie sich das prozentual auf die Mannschaft verteilt, weiß ich nicht, die Trainer sollten das einschätzen können und zumindest an der Cleverness arbeiten. (Vielleicht tun sie's ja sogar...)

Sind gute Freunde/Kumpels auch zwangsläufig eine gute Eishockeymannschaft? Keine Ahnung, aber das eine schließt das andere zumindest nicht aus...
Wenn die vielzitierte gute Teamchemie tatsächlich vorhanden ist, muss das meiner Meinung nach auch auf dem Eis mit entsprechender Körpersprache zu sehen sein! D.h. sich gegenseitig anfeuern, sei es durch verbale oder nonverbale Kommunikation: ein Klaps auf den Po (da muss ja nicht gleich was intimes draus werden...), "abklatschen" mit den Händen/Fäusten, gestikulieren, sich anfeuern, motivieren, was weiss ich...ich spreche den Jungs nicht ab, dass sie nicht wollen, aber es wird auch für uns Fans erkennbarer, wenn das nach aussen gezeigt wird! Dann würde meines Erachtens noch mehr bzw. öfter der Funke vom Eis auf die Fans überspringen und die Herren Ackers und Thau bräuchten weniger das Publikum zu animieren...

Übrigens hat mich genau das fasziniert, als ich vor ein paar Jahren bei einem meiner ersten Eishockeyspiele war: Der bedingungslose Einsatz!

Ich sass hinter der Spielerbank, die Lions lagen 2-3 Minuten vor Schluss relativ aussichtslos (ich glaube 1:3 oder 1:4) zurück. Die Spieler auf der Bank haben gerufen, gestikuliert, mitgefiebert, gebrannt, waren heiss auf ihren nächsten Wechsel und ich konnte sehen und auch fühlen, die geben nicht eher auf, als bis ihnen einer den Puck wegnimmt...sie haben das Spiel leider nicht mehr drehen können, aber darauf kam es nicht an: ich war angefixt!!!

Auch wenn ich die o.g. Dinge bei der jetzigen Mannschaft vermisse, fand ich die Buh-Rufe nach dem Nauheimspiel nicht angemessen. Die Leistung war gegen einen starken Gegner und verdienten Sieger mit Sicherheit keine Buh-Rufe wert! Die Nauheimer haben insgesamt über das gesamte Spiel ihr Ding durchgezogen, das gelingt uns bisher leider nur phasenweise. Wäre auch vermessen, zu verlangen, dass wir in ein paar Monaten das aufholen, was sich die Nauheimer über Jahre in der Oberliga erarbeitet haben. Wir werden das auch schaffen, mit der Infrastruktur in Frankfurt vermutlich auch schneller als die Konkurrenz aus der Landwirtschaft... Ich bin mir ziemlich sicher, dass damit einige Fans ihren Frust über das Freitagsspiel in Unna und die damit entstandene (unnötig) brenzlige Tabellensituation zum Ausdruck gebracht haben. Aber erwarten wir nicht von unseren Jungs, dass sie vergangene Spiele verarbeiten, abhaken und sich auf die anstehenden Aufgaben konzentrieren? Sollten wir das als Fans nicht genauso handhaben? Ich bin sicher, die Jungs -die selbst mit Sicherheit auch enttäuscht waren bzw. sind- haben die enttäuschten Gesichter von uns gesehen, wahrgenommen, das es weniger Applaus gab und die Ränge sich schneller leerten, als in anderen solchen Situationen, obwohl sie an diesem Abend gekämpft haben wie Löwen...wenn auch manche von ihnen gekämpft haben wie nicht ganz austrainierte Löwen...

Reicht das nicht? Die Spieler, die sich das ganze Jahr den A**** aufgerissen haben, haben das nicht verdient und die Spieler, die nicht auch außerhalb der Saison ihre Hausaufgaben gemacht haben, werden mit dieser "erzieherischen Maßnahme" wahrscheinlich nicht erreicht...

So, das war's. Wurde doch länger als gedacht...Ich habe übrigens selbst nie Eishockey gespielt und bin auch als Zuschauer kein "Profi" bzw. jahrzehntelanger Fan. Vielleicht lebe ich mit den oben gemachten Äusserungen in meiner eigenen kleinen Eishockeywelt, aber:

Ich freue mich so oder so auf jedes mir mögliche Spiel der Löwen in der Eissporthalle, denn ich vertraue auf die Erkenntnisse der Verantwortlichen aus dieser (noch laufenden) Saison und darauf, dass sie die Weichen im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten entsprechend stellen werden, auch wenn diese Saison nicht alles rund lief. Michael Bresagk hat mich bisher prinzipiell mit seinen Aussagen/Saisonzielen nicht enttäuscht.(mal abgesehen von dem aberkannten Spiel gegen Herford und dem genialen Kooperationsvertrag mit Bietigheim: an dieser Stelle ein Dankeschön an den Landesverband! Das Regelwerk sollte wohl ursprünglich ein "Lustiges Taschenbuch" werden) Der Aufstieg wird auch bei optimaler Planung eine schwere Kiste, wenn von insgesamt ca. 40 Oberligavereinen gerade mal einer aufsteigt...da ist bei allem Willen und trotz voller Hütte auch eine gehörige Portion Geduld gefragt...

In diesem Sinne...

...auf hoffentlich mehr spannende Partien diese Saison in der Eissporthölle, als einige von uns befürchten!

Andernfalls bin ich trotz der vielen o.g. Dinge insgesamt mit der Saison zufrieden, denn eine deutliche Weiterentwicklung des Frankfurter Eishockeys ist für mich klar zu erkennen und die wird unabhängig vom weiteren Saisonverlauf nächstes Jahr fortgesetzt...



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