Am Tag danach, dem Montag nach der Saison-Abschlussfeier, bin ich furchtbar müde und eine gewisse Leere macht sich in mir breit. Nicht etwa, weil ich ein oder zwei Bier zu viel mit den glückseligen Spielern getrunken hätte, sondern nach den permanenten Adrenalin-Schüben der letzten Wochen mit ständigen Ups und ohne jegliche Downs, wird mir nun so peu á peu bewusst, dass alles nun - über den Sommer - für viel zu lange Zeit „vorbei“ ist.
Was macht man also gegen „Eishockey-Entzug“ am besten? ....genau, man schaut sich ein Eishockey–Spiel an. Wir Trainingskiebitze fahren in 3 Autos mit einigen Spielern und dem stets gut gelaunten KIT in den heimeligen Vorort von Friedberg, um dort „old-fashioned“ Hockey zu sehen und zwei mutmaßliche Play-off-Gegner der kommenden Saison zu begutachten.
Auf der Fahrt in die Kurstadt erzählt ein jeder ein paar hübsche Details aus seiner Sicht zur Erfolgsstory „Löwen Frankfurt“ und wie es denn eigentlich begann…:
Am 1.10. steht das erste Saisonspiel der neuen Runde in Netphen an. Net…??? Was??? Echt….nie gehört, wo ist das denn, haben die schon Strom und sogar richtiges Eis oder spielen die immer noch auf dem Teich oder gar auf einem gefrorenem See? Die totale Unkenntnis und das Betreten des Neulands „Regionalliga“ ergeben an manchen Tagen einen bunten Mix aus Neugierde, Spannung bis hin zur schulterzuckenden Hilflosigkeit. In den Prognosen der Experten und der Printmedien sind wir einer der Favoriten für die Plätze 1-3 in der Regionalliga und der Neuling aus dem Siegerland gilt als Geheimtipp für die kommende Runde, so dass unser erstes Match schon eine Art „Standortbestimmung“ sein kann.
Habe ein halbes Dutzend Freunde überreden können, mit uns zum ersten Spiel zu fahren, das ich als Gradmesser für die nächsten Aufgaben sehe. Und dies sowohl aus sportlichen als auch publikumsträchtigen Erwägungen und Gründen. Wir fahren in zwei PKWs die A 45 hoch und jedes Fahrzeug und jeder Bus, die wir unterwegs mit einem Nummernschild aus dem Rhein-Main-Gebiet sehen, werden als potentielle Löwen-Fans eingestuft und frenetisch bejubelt, auch wenn viele von denen eher „de Omma im Ruhrpott“ einen Besuch abstatten wollen, um damit in der Erbreihenfolge auf Platz 1 zu verbleiben.
In Netphen angekommen, werden wir gleich auf einen Nebenparkplatz outgesourct, da der eigentliche Parkplatz jetzt schon voll ist und noch viele Gäste erwartet werden. Im Bistro des Sportzentrums ist schon alles fest in Löwen-Hand, ein großes „Hallo“ entsteht, viele alte Gesichter sind dabei, und auch - sehr überraschend - einige „neue“, die ich seit seligen Eintracht-Zeiten nicht mehr bei einem Auswärtsspiel gesehen habe. Alle sagen mir: “….wir wollen hier und heute demonstrativ ein Zeichen setzen…“, die Solidarität ist ein toller Beweggrund und wird speziell unter Eishockey-Fans sehr, sehr groß geschrieben…. Schön….gut so….mir gefällt´s!!
Der Löwen-Bus fährt vor, die Jungs gehen staunend durch ein Spalier der Frankfurter Supporters, die Blicke der Verantwortlichen wirken heute etwas angespannt. Auch Axel Erk, der eloquente Unternehmensberater und Macher der Young Lions, der in den letzten Wochen pausenlos im Einsatz für das neue Frankfurter Eishockey war und Sponsorengespräche und einen Medienauftritt nach dem Anderen wahrnehmen musste, wirkt nervös und etwas „hibbelisch“, wie wir aalen wascheschden Frankfodder immer zu sagen pflegen.
Das Team zieht sich in einer Kabine um, die kaum größer ist als die Gästetoilette in hessischen Reihenhäusern, Robinho Radermacher muss zum Schlittschuhe-Schnüren sogar vor die Tür, da sonst die Verletzungsgefahr von Mitspielern zu groß wäre. Die Eisfläche wurde irgendwann mal von einem gutmütigen Sponsor der Netphener überdacht, als der nach dem sommerlichen Campingausflug und bierselig einige Zeltplanen übrig hatte, und auch der smarte Architekt des Icedomes hat es geschafft, die Pfeiler im Stadion so geschickt zu verteilen, dass man von KEINEM Platz wirklich gut sehen kann.
Die Leute hier in Netphen sind dagegen furchtbar nett, obwohl dies die geographische Nähe zu Iserlohn eher nicht unbedingt vermuten lässt, freuen sich über den Gästeansturm aus der Mainmetropole, bieten sogar „Getränkeservice am Platz“ zu zivilen Preisen an, versuchen jedem Wunsch der auswärtigen Fans irgendwie zeitnah zu entsprechen. Als unsere Jungs das Eis zum „Warm-up“ betreten, brandet der Jubel der Begeisterung im Rund auf, mehr als 500-600 Fans sind es wohl, die den Weg ins Siegerland, nicht Sauerland!! gefunden haben. Axel Erk huscht ein erstes entspanntes Lächeln übers Gesicht….und es sollte nicht das letzte an diesem wundervollen Abend sein.
Wir gehen rasch in Führung, und wie schon in Eppelheim ist es die No. 16, die das „Opening Goal“ erzielt……und auch dies sollte sich in den kommenden Wochen nun öfters wiederholen. Ich singe den „Zigeuner-Song“ jetzt auch voller Inbrunst mit, nachdem Dr. Oswald Kolle alias Lionmaniac in Eppelheim ja intensive Aufklärungsarbeit bei mir geleistet hat und ich nun „echter Insider“ und eben kein “diskriminierender Jung-Hooligan“ mehr bin.
Unter der Führung von Daniel Körber, immerhin ein Ex-Monnemer, dessen Routine und Gelassenheit den Boys sichtlich Auftrieb gibt, verlassen wir als Sieger das Eis und das erste H-U-M-B-A der Saison findet bei einem sichtlich aufgewühltem Team dankbare Anerkennung.
Auch wir fahren total euphorisiert heim gen Frankfurt und überlegen, wie es denn erst wohl beim ersten Heimspiel in gut einer Woche gegen die Iserlohner Hühner aussehen mag……
(Fortsetzung folgt…..)
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